transfair talk 2022 - so lösen wir den ICT-Fachkräftemangel
Der Mangel an ICT-Fachkräften in der Schweiz ist eine Realität und es braucht dringend Lösungen. Am 5. April 2022 hat transfair Sozialpartner, Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und junge Menschen in Ausbildung zum transfair talk 2022 eingeladen, um mit ihnen an verschiedenen Podiumsdiskussionen genau solche zu suchen. Eines vorneweg: nur gemeinsam, wenn alle relevanten Akteure enger zusammenarbeiten, wird es gelingen, der Herausforderung zu begegnen.
In ihrer Begrüssung merkte Greta Gysin, Co-Präsidentin von transfair und Nationalrätin, an, dass es der Schweiz – vor allem im internationalen Vergleich – in Bezug auf ihren Arbeitsmarkt und ihren Fachkräften grundsätzlich gut geht. Jedoch fehlen besonders im ICT-Bereich Fachpersonen. Als Co-Präsidentin von transfair ist Greta Gysin davon überzeugt, dass eine fortschrittliche Sozialpartnerschaft in dieser Wachstumsbranche von grossem Nutzen und Mehrwert sein kann.
Lösungen für die Nachwuchsförderung im ICT-Sektor
Angeleitet von Valérie Berset-Bircher diskutierten Nicolas Durville (CEO Zühlke AG), Serge Reymond (Präsident Ecole42), Bruno Schumacher (Leiter Berufseinstiege Schweizerische Post) Robert Métrailler (Branchenleiter ICT von transfair) darüber, wie man den ICT-Nachwuchs am besten fördern könne. Die Podiumsteilnehmer sind sich einig, es braucht in mehreren Bereichen einen Effort und neue Impulse. Allem voran braucht es mehr Kooperation und Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren (Politik, Unternehmen, Jugend, Gewerkschaften, Bildungswesen), um nachhaltige Lösungen zu finden. Die Strategie des oft angesprochenen Nearshorings – also das Verlagern von Arbeitsplätzen ins nahegelegene Ausland – hat seine Limiten und ist nicht die richtige Art, um das Problem des Fachkräftemangels anzugehen.
In der Diskussion entstanden vielfältige andere Ideen und Lösungsansätze:
- Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Arbeitslose für ICT-Berufe begeistern und rekrutieren
- Den dualen Berufsweg stärken und attraktiver – vor allem im Vergleich des gymnasialen Wegs – gestalten und als gleichwertige Möglichkeit positionieren
- bessere Rahmenbedingungen – unter anderem in der Form einer besseren Vereinbarkeit des Berufs- und Privatlebens, damit die Fachkräfte in allen Lebenssituationen im Beruf bleiben
- mehr Investition in die Schule und Ausbildung, damit motivierte Lehrkräfte die Begeisterung für die technische Welt vermitteln
- ICT-Berufe für Frauen attraktiv machen
- Image der technischen Berufe aufpolieren und attraktiver machen
Junge Menschen in Ausbildung haben das Wort
Um die Debatte zu vertiefen und einen Blick in die Zukunft zu werfen, ergriffen junge Menschen in Ausbildung das Wort. Im Gespräch mit Maria Bandeira Santana, Sylvester Homberger, Thomas Moret et Guillaume Aubert wurde schnell klar: es braucht dringend Verbesserungen jeglicher Art, damit junge Menschen – besonders auch Frauen – in ICT-Bereichen Fuss fassen:
- Bessere Qualität in der Ausbildung und motivierteres Lehrpersonal, das auch am Puls der Zeit ist
- Mehr und spezifischere Lernangeboten, die den Facetten der ICT-Berufe gerecht werden
- Ein bestärkendes Umfeld, das junge Menschen auf ihrem Weg unterstützt – und ihnen keine Steine in den Weg legt.
- Bessere Verknüpfung der Ausbildung und der sozialen Kompetenzen, die es für die Arbeitswelt braucht
- Bessere Möglichkeiten für berufliche Neuorientierung
- Änderung der Mentalität gegenüber ICT-Berufen, damit mehr Frauen im ICT-Bereich arbeiten wollen und bereits in der Primarschule technische Inhalte vermittelt werden
Die Sozialpartnerschaft und ihre Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen im ICT-Sektor
Martin Camenisch (Leiter Personalmanagement & Arbeitsbeziehungen, Schweizerische Post), Sandra Hutterli (Leiterin People und Transformation bei SBB Informatik), Klementina Pejic, (Leiterin HR Swisscom, Mitglied der Konzernleitung) und René Fürst (Branchenleiter Post/Logistik von transfair) sprachen gemeinsam darüber, welche Chancen und Herausforderungen es in der Sozialpartnerschaft anzugehen gilt. Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Personalverbänden sei gut und wichtig. Das betonten alle drei Vertreterinnen und Vertreter von Swisscom, SBB und der Post. Und man sei meist gemeinsam unterwegs, da das Ziel ja dasselbe sei: für die Mitarbeitenden ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen.
Doch wie dieses attraktive Arbeitsumfeld aussieht – darüber scheiden sich die Geister. Einige wollen flexibler arbeiten können in Bezug auf den Arbeitsort oder auch die Arbeitszeit. Andere wiederum nicht. Auch im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte brauche es mehr Flexibilität und den Abbau von administrativen Hindernissen; der Schutz im Arbeitsgesetz basiere auf einer veralteten industriellen Sichtweise, sei heute teilweise eine Hürde und widerspiegle nicht die Realität von allen. transfair ist sich bewusst, dass gewisse Arbeitnehmende diesen Flexibilisierungswunsch haben. Sozialpartnerschaftlich soll es gelingen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das erlauben und gleichzeitig die Gesundheit des Personals ausreichend schützen.
Die Quintessenz der Diskussion: Die Sozialpartnerschaft wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, denn es kommen immer mehr Herausforderungen auf uns alle zu. Und es ist wichtig, dass man diesen gemeinsam begegnet und begleitet, damit auch der Gesundheitsschutz des Personals gewährleistet bleibt.