Überparteiliche Allianz lanciert Familienzeit-Initiative

Über­par­tei­liche Allianz lanciert Fa­mi­lien­zeit-I­ni­tia­tive

Zur Förderung der Erwerbstätigkeit, gegen den Fachkräftemangel und für den Zusammenhalt aller Generationen der Schweiz: Eine breite Allianz aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, darunter Travail.Suisse und transfair, kündigt die Familienzeit-Initiative an und präsentiert die Eckwerte. Lancierung und Sammelstart sind im Frühling 2025.

Lea Lüthy
Mutter, Vater und Kind auf dem Schlitten auf einem verschneiten Weg

In Kürze

  • Die Initiative sieht für beide Elternteile eine gleich lange Familienzeit von je 18 Wochen vor.
  • Die Familienzeit ist paritätisch, nicht übertragbar, verfällt bei Nichtbezug und wird im Grundsatz nacheinander bezogen, wobei 4 Wochen gleichzeitig möglich sind.
  • Die Entschädigung steigt für die niedrigsten Löhne auf 100 % des Erwerbsausfalls. Diese Eckwerte erweisen sich aus der Forschung und aus Erfahrungswerten anderer Länder als besonders wirkungsvoll, um die Arbeitsmarktpartizipation der Mütter und die Care-Arbeit der Väter zu erhöhen.
  • Mutterschaftsversicherung und Vaterschaftsurlaub werden ersetzt.
  • Während der ersten 10 Jahre wird die Familienzeit auf je maximal 18 Wochen festgelegt. Über die anschliessende Dauer entscheidet die Gesetzgeberin, wobei die Dauer von je 14 Wochen nicht unterschritten werden darf, was der aktuellen gesetzlichen Dauer des Mutterschaftsurlaubs entspricht.

Die Schweiz verändert sich: Die Bevölkerung wird immer älter und es leben mehr Menschen in Rente als früher – gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren. In vielen Branchen verschärft sich der Fachkräftemangel. Die Hauptlast für das Erwirtschaften des Wohlstands dieses Landes trägt die mittlere Generation: Sie finanziert durch ihre Erwerbstätigkeit die Sozialwerke, zieht die künftige Generation gross und betreut oft gleichzeitig pflegebedürftige Angehörige. «Die Eltern schultern sehr viel in diesem Land. Es braucht ein Generationenwerk, das ihnen gute Rahmenbedingungen bietet, damit sie die gesamte Gesellschaft tragen können. Mit der Familienzeit schaffen wir dieses Generationenwerk», so Dominik Blunschy, Nationalrat der Mitte.

Die Familienzeit fördert die Erwerbstätigkeit der Mütter und schafft gleiche Chancen

Elternschaft ist eine gemeinsame Verantwortung. Die heutige Gesetzgebung fördert aber stereotypische Rollen und wird der gesellschaftlichen Realität und der Gleichstellung der Geschlechter nicht gerecht. Deshalb braucht es eine faire, gleich lange Familienzeit für beide Elternteile, so Lisa Mazzone, Präsidentin der Grünen Partei. «Der heutige Mutterschaftsurlaub ist zu knapp und er ist einseitig verteilt: Er setzt Mütter unter Druck und schliesst die Väter aus. Um die Erwerbstätigkeit der Mütter zu fördern, brauchen sie gleich lange Spiesse. Das ist auch im Sinne des Kindes.»

Die Familienzeit lohnt sich für KMU und strukturschwache Regionen

Auch für die Wirtschaft und insbesondere für ländliche Regionen und KMU bringt die Familienzeit wichtige Chancen: Sie geraten heute im Wettbewerb um Fachkräfte zunehmend ins Hintertreffen, weil urbane Zentren und Grossunternehmen ihren Mitarbeitenden attraktivere familienfreundliche Arbeitsbedingungen bieten können. «Eine vernünftige, gemeinsam finanzierte Familienzeit schafft für KMU und ländliche Regionen gleiche Chancen im Wettbewerb um Fachkräfte», sagt Philippe Kühni, Aargauer Unternehmer aus der Bau-Energiebranche. Die Familienzeit ermöglicht den Unternehmen Planbarkeit und Berechenbarkeit rund um die Elternschaft ihrer Mitarbeitenden: Sie ist so ausgestaltet, dass sie einen positiven Effekt auf die Erwerbstätigkeit der Eltern und insbesondere der Mütter hat, indem sie ihnen einen schnelleren Wiedereinstieg in Erwerbsleben zu höheren Pensen ermöglicht.

Die Familienzeit stärkt die Gesundheit der Eltern

Die Familienzeit dient dem Kindeswohl und der stabilen Eltern-Kind-Beziehung. Väter, die nach der Geburt eines Kindes zuhause Verantwortung übernehmen, sind gesünder, glücklicher und langfristig stärker engagierte Elternteile und Partner. Grössere Unterstützung durch den Vater bei der Betreuung des Babys trägt ausserdem zur Gesundheit der Mutter bei. Heute sind in der Schweiz 5 % der Eltern – im weltweiten Vergleich einer der höchsten Werte – von einem Eltern-Burnout betroffen, die Mehrfachbelastung ist schlicht zu hoch. «Mit der Familienzeit tragen wir der Gesundheit von Kindern und Eltern Sorge. Das lohnt sich für alle: Familie, Gesellschaft und Wirtschaft», so Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse. «Jeden Franken, den wir hier investieren, erhält unsere Wirtschaft und Gesellschaft um ein Vielfaches zurück: weil wir Familien entlasten, Kinder stärken und es Eltern erleichtern, langfristig berufstätig zu bleiben. » Es ist nicht damit getan, junge Eltern zur Erhöhung ihres Arbeitspensums aufzufordern, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Es braucht hier auch die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Die Familienzeit zahlt sich aus für die Schweiz

Eine Studie, welche die Allianz beim unabhängigen ökonomischen Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Ecoplan in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass sich die Familienzeit auch für die Steuerzahlenden und den Staat auszahlt: Jedes Jahr werden 2500 Vollzeitbeschäftigte mehr im Arbeitsmarkt tätig sein, nach 10 Jahren bereits 25 000. Das sind Mütter, die überhaupt, früher und in höheren Pensen in den Beruf zurückkehren. Nach 20 Jahren ist die Investition über höhere Steuern und Sozialversicherungsabgaben refinanziert. «Ein Land, das Kinder und Fachkräfte will, muss in die Vereinbarkeit investieren. Es lohnt sich. Die Familienzeit trägt unsere Gesellschaft in die Zukunft», so Kathrin Bertschy, Nationalrätin und Co-Präsidentin von alliance F. 

Die Initiative wird von einer breiten überparteilichen Allianz– alliance F, Grüne, GLP, Mitte Frauen, Travail.Suisse – getragen und von der EVP unterstützt. Im Initiativkomitee sitzen Nationalräte  und Kantonsrätinnen aus sechs Parteien sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und Fachpersonen. In den nächsten Wochen werden die Partnerschaften erweitert. Sammelstart der Initiative ist im Frühling 2025.