Projekt Inklusion bei PostNetz

Post/Logistik

Projekt Inklusion bei PostNetz

Die Post hat ein Projekt ins Leben gerufen, das es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen soll, für sie zu arbeiten. Einer der Akteure des Pilotprojekts bei PostNetz (PN) ist Marcel Trütsch; ein langjähriges Mitglied von transfair. Er erzählt transfair, von dieser menschlich so bereichernden Erfahrung und was er dabei gelernt hat.

Diego Frieden

Marcel Trütsch

Marcel Trütsch (1977) arbeitet seit 30 Jahren bei der Post und ist zur Zeit Teamleiter bei PostNetz im Team Glarus. Er ist seit 27 Jahren Mitglied von transfair.

Marcel, du nimmst am zweiten Pilotprojekt mit dem Namen «Inklusion PN» teil. Worum geht es?

Es geht darum, Personen mit Beeinträchtigung in Teams aufzunehmen. Der Pilot 1 wurde in der Region Bern in einer grossen Filiale durchgeführt. Dort hat man gute Erfahrungen gemacht. Dann kam dann Covid-19 und das Projekt wurde vorerst auf Eis gelegt. Der Pilot 2 - ursprünglich vom Frühling bis Sommer 2022 geplant, dann verlängert -  sollte zeigen, ob auch mittlere und kleinere Teams/Filialen geeignet sind. Ganz schnell haben wir aber festgestellt, dass es in einer solchen Filiale zu wenig Arbeit für diese Personen gäbe. So kam unser Vorschlag, dass die gewählte Person in drei unserer Filialen «rotiert».

Und wie läuft das Projekt genau ab?

Zuerst fanden Vorgespräche auf Leitungsebene statt. Es gab im Vorhinein einige Ängste und Gedanken, wie «Können wir das, kann die Person das?» wurden laut. Aber ich habe das Gefühl, dass wir im Team eine richtig gute Einstellung gehabt haben und offen waren, für eine solche Integration. Das hat das Ganze vereinfacht. Das erste Ziel war die Definition der «Arbeitspakete» zusammen mit der Institution, die die Person ausgewählt hat. Die ausgewählte Person hat körperliche und sprachliche Behinderungen, ist aber sehr intelligent und im Glarnerland bekannt und ehrenamtlich engagiert. Mit der Werkstätte haben wir also ein 40-Prozent-Pensum, verteilt auf zwei Arbeitstage vereinbart. Der Ansatz «So viel Pensum wie möglich» wurde vehement zurückgewiesen, weil nicht im Vordergrund stehen sollte, dass möglichst viel gearbeitet wird.

Dann kam das Kennenlernen im Team. Wie ging das?

Bevor die Person mit Behinderung das ganze Team traf, wurden wir alle geschult. Es wurden Fragen beantwortet wie: «Was machen wir, wenn etwas Schlimmes passiert? Oder wie müssen wir in welcher Situation reagieren» Beim Treffen waren dann viele dieser Ängste schon weg. Zentral ist, dass man ehrlich zueinander ist und miteinander spricht: Mit dem gegenseitigen Vertrauen steht und fällt das Ganze.

„„Es ist so wertvoll, wenn man merkt, was alles machbar ist. Diese Person zeigt uns, dass wir eine andere Sicht einnehmen müssen.

Marcel Trütsch, Teamleiter bei PostNetz, Team Glarus

Wie sieht konkret der Alltag mit diesem neuen Arbeitskollegen aus?

Er ist völlig «im Team», trägt die gleiche Kleidung und übernimmt vor allem viele «Lernendenarbeiten». Die Kundschaft wurde auch nicht explizit informiert, und die Reaktionen waren sehr positiv. Es ist so wertvoll, wenn man merkt, was alles machbar ist. Diese Person zeigt uns, dass wir eine andere Sicht einnehmen müssen. Sie ist auch sehr stolz auf ihre Arbeit, und hat einfach eine geniale Ausstrahlung und Energie.

Was ist Deine Rolle im Projekt?

Ich bin Koordinator vor Ort, meine Stellvertreterin ist sogenanntes «Gotti» dieser Person. Jeden Tag führen wir ein kurzes Gespräch, quasi ein «5-Minuten-Tagebuch» mit der Person, um zu besprechen, wie es ihr geht. Unsere Aufgaben sind die Begleitung und Protokollierung des Projekts.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die du aus dem Projekt gewonnen hast?

Die Person muss am Anfang stehen: Wer ist sie, welche Stärken und Schwächen hat sie? Man kann nichts ohne die Person planen und organisieren, denn es gibt doch grosse Differenzen zwischen Theorie und Praxis bezüglich Inklusion. Wir wurden eher «zurückgeschraubt»: man muss bescheiden starten und dann Schritt für Schritt darauf aufbauen. Dies ist wichtig für die Motivation und Weiterentwicklung der Person. Das haben wir getan – die Person arbeitet nun 50 Prozent.

Was wünschst du dir zum Thema Inklusion? Was wäre deine «Vision» für dieses wichtige Gesellschaftsthema?

Ich möchte ganz klar, dass das Projekt über die Pilotphase hinaus umgesetzt wird. Die Unsicherheiten diesbezüglich und die Verlängerungen des Piloten waren für diese Person schwierig. Das Projekt sollte auch überall bei der Post – nicht nur bei PostNetz – eingeführt werden. Dazu braucht es klare Ansprechpersonen und genug Mitwirkung. Manchmal ist unsere Gesellschaft einfach etwas «egomanisch», und das Ganze zeigt uns nicht nur auf, wie wir  Menschen ohne Beeinträchtigung teilweise oberflächlich sein können, sondern relativiert.